
Eine graue Säule mit vier schwarzen ringförmigen Einsätzen ziert seit zwei Wochen den Mittelstreifen der Schiersteiner Straße in Wiesbaden. Was auf den ersten Blick an eine Kunstinstallation erinnert, entpuppt sich als neue Anlage zur Geschwindigkeitsmessung. Entwickelt wurde sie vom Wiesbadener Unternehmen Vitronic Dr.-Ing. Stein Bildverarbeitungssysteme GmbH, von der auch die Kontrolleinrichtungen in den Maut-Brücken von Toll Collect stammen.
Das in Wiesbaden installierte Geschwindigkeitsmess-System „Poliscan speed“ arbeitet mit Laserstrahlen, die die Fahrzeuge über eine längere Strecke hinweg verfolgen und auch bei einem Spurwechsel weiter erfassen und unterscheiden können. Die Säule könne bis zu vier Erfassungs- und Dokumentationseinheiten aufnehmen und je Fahrtrichtungen gleichzeitig zwei Fahrspuren überwachen, sagte Lucas Goebel von Vitronic. Dagegen seien die mit Radarsystem erzielten Messungen bei parallel fahrenden Autos wegen sogenannter Knickreflexionen unbrauchbar.
Fotos der Temposünder werden digital gespeichert
Mit dem neuen System, das erst vor wenigen Wochen von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zertifiziert wurde, können laut Vitronic Raser „in erheblich mehr Szenarien zur Rechenschaft gezogen werden“. Da die Säule aus vier unabhängigen Segmenten besteht, können die Messelemente in jede beliebige Richtung gedreht werden. So ist es möglich, etwa an einer Kreuzung die überwachte Straße frei zu wählen. Auch aus der Messsäule wird es bei Geschwindigkeitsverstößen rot blitzen; das Foto des Temposünders wird allerdings nicht wie im klassischen Starenkasten auf Film festgehalten, sondern digital gespeichert.
Mit dem System könnten Polizei und Kommunen Geld sparen, verspricht die Firma. Schließlich müssten keine Messschleifen im Asphalt verlegt werden, so dass Straßenbauarbeiten entfielen; ferner sei das Gerät wartungsfrei. Goebel zufolge werden die gespeicherten Verkehrsverstöße zunächst noch von städtischen Bediensteten am Gerät abgefragt; allerdings werde überlegt, die Informationen künftig via Datenleitung zu übermitteln.
Die Anlage in Wiesbaden ist laut Vitronic die erste im Rhein-Main-Gebiet; bislang ist außer in der hessischen Landeshauptstadt nur ein „Poliscan speed“-System in Ludwigshafen im Einsatz. Schon jetzt gebe es Anfragen aus anderen Kommunen, so Goebel. Neben dem stationären Gerät existiert noch eine mobile Variante, die schon länger auf dem Markt ist. Dass Vitronic als Spezialist für Bildverarbeitung nun auch Tempo-Messanlagen entwickelt, ist für Goebel kein Widerspruch: Dies sei im Grunde auch nichts anderes als Bildverarbeitung. Schließlich müssten die Fahrzeuge im fließenden Verkehr so erfasst und auseinandergehalten werden, dass überhaupt ein Bild gemacht werden könne, auf dem der Geschwindigkeitsverstoß deutlich werde.
Wenig Freude bei den Autofahrern
Zu den Kosten der in Wiesbaden errichteten Anlage wollten sich weder Vitronic noch die Kommune äußern. Stadtsprecher Siggi Schneider zufolge will man Erfahrungen mit dem System sammeln und zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, wie viele Messsäulen angeschafft werden. Fest stehe, dass sie dort zum Einsatz kommen sollten, wo Geschwindigkeitsverstöße an der Tagesordnung seien.
Dies sei in der Schiersteiner Straße der Fall gewesen. „Dort haben sich schon mehrere schwere Unfälle ereignet“, sagte Schneider. Auch wegen der vielen Patienten, die die nahe Asklepios-Paulinen-Klinik und ein benachbartes Gesundheitszentrum aufsuchten, sei eine angepasste Geschwindigkeit notwendig. Das Poliscan-System ist dem Stadtsprecher zufolge inzwischen in Betrieb; mittlerweile würden auch die Geschwindigkeitsverstöße ausgewertet.
Fraglich ist, ob die Wiesbadener Autofahrer zu der Messsäule trotz moderner Optik eine positivere Beziehung aufbauen als zu den altbekannten Starenkästen. „Raubritter“ gehörte noch zu den harmloseren Kommentaren, die Autofahrern beim Passieren des neuen Kontrollsystems entfuhren.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: F.A.Z. - Frank Röth